
Eine nicht so kurze, subjektive Einführung ins Thema,
Teil 1 Der Einstieg und mein erstes Objektiv
Eigentlich wollte ich auf Tour ein paar Videos drehn und Bilder machen, die man später für diverse Projekte nutzen könnte und ich hoffte eine neue Kamera, plus zwei Objektive würden ein wenig Schwung in das Ganze bringen.
Beim stöbern auf YouTube zum Thema Video, landet man ziemlich schnell bei alten analogen Objektiven. Warum? Man kann (muss) sie im Gegensatz zu modernen Modellen per Hand bedienen, und Linsen aus den verschiedenen Jahrzehnten geben tatsächlich bauweisenbedingt die Ästhetik ihrer Zeit wieder. Ich war hin und weg, durchforschte die Kleinanzeigen und machte mich kurz darauf auf dem Weg nach Schöneiche bei Berlin um mein erstes analoges Objektiv zu kaufen.
Im Wohnzimmer eines netten Russen begutachtete ich, unwissend worauf zu achten, mit ernster Mine den Nachbau eines Zeiss Objektivs namens Helios 44-2. Brennweite 58, Blende 2.0.
Dieses Objetiv aus russischer Produktion trägt den Beinamen „Bokehmonster“ (dazu später mehr) und ist eines der Objektive, die in diversen Foren wärmstens empfohlen werden.
Nachdem ich mich davon überzeugt hatte ein Objektiv in der Hand zu halten wurden wir uns schnell handelseinig und zufrieden trat ich den Rückweg an. Dieses Model wurde, wie ich mittlerweile weiß, millionenfach in der Sovietunion gebaut und findet hier für das zigfache des Einkaufspreises Abnehmer. Aber ich will keinem Unrecht tun, zum einen hätte ich ja keine Quelle in Russland, das Objektiv ist in gutem Zustand und zigfach bedeutet 45 Euro.
Als die Suche nach Objektive kurze Zeit später obsessive Formen annahm, meinte M, der ich davon erzählte, man müsse manchmal Dinge auf eine Ahnung hin vorbereiten, damit man, wenn der Impuls komme, sofort anfangen könne. Ein Mantra das ich seit dem gerne vor mich hin murmele. Sei Vorbereitet… sei vorbereitet… worauf wird sich noch weisen.
Aber, wovon reden wir hier eigentlich?

Trophäen. Oben, ein SMC Pentax-M 2.8-3.5/35-70, Oben links, ein Flektogon 4.0/25mm im Zebra Look, In der Mitte ein Minolta MC Rokkor 1.4/58mm, daneben ein ausJENA 1.8/50mm Pancolar, unten links, ein Carl Zeiss Tessar 2.8/50mm, mitte unten, ein Meyer-Optik-Görlitz Primagon 4.5/35mm und daneben das kleine Industar 50-2, 3.5/50mm aus sowietischer Produktion
Teil 2 Alte Objektive aka Altglas
Alte Objektive sind solche die ohne Elektronik auskommen und ein Bajonett oder Gewinde haben um sie per Adapter vor den Sensor einer aktuellen Kamera zu packen. Grob gesagt, Objektive ab Ende der 40iger bis Anfang, Mitte der 80iger Jahre.
Musste bei einer Speigelreflexkamera noch ein echter Spiegel umgeklappt und irgendwie am Objektiv vorbei geführt werden, haben sich in den letzten Jahren Modelle ohne durchgesetzt.
Bei diesen „spiegellosen“ Kameras wird einfach ein Abbild dessen was auf dem Sensor Chip der Kamera landet an den Sucher geschickt. Der Bildausschnitt lässt sich mit einer Lupenfunktion vergrößern und dann per Hand, über das manuellen Objektiv scharf stellen. Die elektronische Imitation, eines ehemals analogen Vorgangs. Seit die mechanischen und physikalischen Schranken wegfielen, ist die Renaissance alter analoger Objektive im vollen Gange. Experimente mit Adaptierungen gibt es aber schon seit über 15 Jahren.

Links, ein Adapter Für das Minolta MC/MD Bajonett. Rechts, für den M42 Anschluß. Man erkennt den Aluminiumkragen, der für bestimmte Objektive abgeschliffen werden muss.
Bei den Adapter handelt es sich um kurze Zwischenstücke aus Metal. Es gibt sie für jeden gängigen Anschluss und man kann fast jedes Objektiv an die eigene Kamera dengeln. Alle Made in China und von guter Qualität. Die Bezeichnungen sind teilweise etwas verwirrend. Der Adapter für den Sony emount Anschluss nennt sich NEX nach der gleichnamigen Modellreihe, passt aber für alle Kameras mit diesem Anschluss. Die Adapter sind ziemlich wuchtig, damit muss man leider leben.
M42 ist die Bezeichnung für einen Ende der 40iger Jahre entwickelten, weit verbreiteten, markenübergreifenden Schraubanschluss. Mit einem Inbusschlüssel lässt sich das Gewinde im Adapter justieren, damit die Blendenskala des Objektivs oben liegt.
Teil 3 Besonderheiten und Unterschiede
Begibt man sich in die Welt der analogen Objektive, schippert man unweigerlich in das Bermudadreieck der Fotografie.
Blende, Belichtungszeit und ISO Wert, der die Lichtempfindlichkeit des Films (Sensors) angibt. Das Zusammenspiel dieser drei Werte ist Entscheidend für die Aufnahme, daran hat sich nichts geändert.
Moderne Objektive senden laufend Daten an den Rechner der Kamera, die sich mit diesen Informationen automatisch auf das Motiv einstellen kann, null Problemo. Man muss sich schon Mühe geben um ein technisch schlechtes Foto zu machen.
Objektive die 50 und mehr Jahre auf dem Buckel haben kommunizieren wie man sich denken kann nicht mit der Kamera, sondern sind auf flinke Finger angewiesen und den Überblick über die oben genannten Einstellungen.
Nachteil, hatte früher ein Schalter eine eindeutige Funktion, gibt es heute Wippen und Multifunktionstasten, die leider nicht immer so funktionieren wie man möchte (weiß der Teufel warum). Ich benutze eine Sony Kamera wegen der hervorragenden Videoqualität und berüchtigt für die komplizierte, nicht intuitive Bedienung (benutzen Entwickler ihre Produkte selbst?) Eigentlich möchte man nur eine Gang einlegen und um die Kurve biegen, sitzt aber im Cockpit eines Kampfjets, bildlich gesprochen. Wenn man etwas fotografieren will dass sich schnell bewegt, ist es schon über alle Berge und hat wahrscheinlich Abendbrot gegessen, bis man alle Einstellungen vorgenommen hat und so weit ist, den Auslöser zu drücken. #Entschleunigung. Deswegen werden auffällig oft Bilder von Blumen gepostet, die sind geduldig und maulen nicht.
Teil 4 Wozu denn dann der ganze Aufwand?
Mir gefällt das hohe Abbildungsniveau und der Look der Fotos. Übertragen auf Tonträgern haben alte Objektive die Qualität von Vinyl. Der Klang ist nach wie vor, State of the Art. Es ist nur unbequem eine Platte alle 20min umzudrehen. Der Fortschritt liegt Hauptsächlich im Komfort.
Die Physik setzt Grenzen, darüber hinaus muss man elektronische manipulieren. Beim aufbohren der Lichtstärke, bei der Verbesserung der Auflösung, oder sagen wir besser, Anpassung an die Besonderheiten eines Sensorchips, oder Gewichtsreduzierung, braucht es digitale Helferlein. Mechanisch sind moderne Objektive Sogar einfacher gebaut, weil das Bilde nicht mehr nur über die optischen Komponenten erzeugt wird.
Mir gefällt die Makellosigkeit mit der Objektive nach über 50 Jahren noch funktionieren können, nicht alle, aber viele. Fokusringe die unhörbar und seidenweich ineinander gleiten, das Gewicht von ausschließlich Glas und Metall, die Präzision der Fertigung, das Zusammenspiel der einzelnen Elemente, all das bringt mich zum jauchzen und wer das Buch „Zen oder die Kunst ein Motorrad zu warten“ gelesen hat, begreift im wörtlichen Sinn, den vom Autor beschriebenen philosophischen Aspekt von Qualität.
Es gibt keine elektronischen Elemente oder Motoren die den Geist aufgeben und spröder Kunststoff ist noch kein Thema. Moderne Objektive werden nicht Jahrzehnte funktionieren. Sollen sie auch nicht, da die Technik in ein paar Jahren sowieso veraltet ist. Der Zenit dessen was mechanisch machbar war, wurde Mitte der 80ziger Jahre erreicht, ab dann wird’s im wahrsten Sinne hässlich.
Mir gefällt die Geschichten hinter den Marken und Objektiven, mir gefällt die Gründlichkeit mit der Menschen jeden Aspekt einer Linse recherchieren, zusammentragen und veröffentlichen, die historischen Zusammenhänge, die Irrungen und Wirrungen. Alleine der Untergang der (West) deutschen Fotoindustrie in den späten 60ziger Jahren liest sich wie eine antike Tragödie.
www.klassik-cameras.de/Icarex.html
Und mir gefällt es in Kleinanzeigen zu stöbern, es ist geradezu meditativ. Ich befürchte das Jagen und Sammeln ist der größte Spaß dabei, Fotos zu machen ein Alibi.
Kurz gesagt, alte Objektive sind ästhetisch, sinnlich, zeitlos, funktional, nachhaltig, historisch interessant, verfügbar, günstig und machen glücklich!
Was will man mehr?

Rechts: Helios 44-2 2.0/58.Mein erstes Objektiv. Man beachte das kleine Zeichen links innen. Es zeigt an in welchem Werk das Objektiv gefertigt wurde. MMP – Мincan Мmechanical ЗAvod benannt nach S. I. Vavilov, seit 1971 BelOMO (Бelorussian ОbirdМmechanical Оunification).
Links: Industar 50-2, 3.5/50mm. Das mit Abstand kleinste Objektiv der Sammlung. Wirkt zwar wie ein Spielzeug und ist auch etwas klapprig, aber sehr viel besser als man ihm zutraut. 50mm ist übrigens die mit Abstand verbreitetste Brennweite, da sie ungefähr dem Sichtfeld enspricht das der Mensch bewusst wahrnimmt.
Hersteller: Optisch-mechanisches Werk ‚Jupiter‘, Valdai.


Teil 5 Preise & Verfügbarkeit
Die Preise bewegen sich zwischen 10 und 400 Euro, wobei der Großteil der Objektive für 25 bis 60 Euro zu kriegen ist. Das macht die Sache so verführerisch. Wenn man bedenkt daß man für ein modernes Hochleistungsobjektiv schnell 2000 Euro zahlt, kann man sich ausrechnen wie viel Spaß man sich für diesen Betrag gönnen kann. Und es gibt ihn im Überfluss.
Ich habe alle meine Objektive über Kleinanzeigen gekauft und es spricht für die Qualität dieser Saurier, daß so viele bis heute überdauewert haben. Weil der Gegenstand so speziell ist, scheint man selten übers Ohr gehauen zu werden. What you read/ see is what you get. Den Großteil habe ich mir schicken lassen. Reingefallen bin ich bis jetzt nur ein Mal, als ich zu Beginn meiner Suche, wieder mit ernster Mine, ein verpilztes Objektiv vor Ort inspizierte, für gut befand und kaufte.

Icarex 35 CS von 1969, der Sargnagel der Westdeutschen Fotoindustrie. Das Objektiv ist ein Schneider Kreuznach Edixa-Xenar 2.8/50mm. Eine unglaublich aufwendige Konstruktion in tollem kitschigen 70iger Jahre Design. Der Blendenstift hinten ist ebenfalls so aufwendig konstruiert, dass die Rückholfeder abgesprungen ist. Keine große Sache, wenn man zur Reparatur Nerven aus Stahl mitbringt. Das unruhige Bokeh hilft auch nicht weiter.
Teil 6 Bokeh
Ein Wort über das man oft stolpert. Bokeh bedeutet auf japanisch so viel wie verschwommen, unscharf.
Der Begriff beschreibt die Art und Weise wie das Objektiv den unscharfen Hintergrund auf einem Bild darstellt. Das zu fotografierende Objekt wird mit kleiner Blend (großer Lichteinfall) fotografiert, was zu einer geringen Tiefenschärfe führt, also nur das Motiv oder Teile davon sind scharf. Das ist aber nebensächlich, denn es geht wie gesagt nur um den Hintergrund. Es gibt ein swirly Bokeh (Top), unruhiges Bokeh (geht gar nicht), aggressives Bokeh (nope), runde Bubbles (top), rautenförmige Bubbles (no way) und noch allerhand mehr was blubbert und verwischelt.
Das Erzeugen eines perfekten Bokehs ist die Kunst und weil es manuelles Geschick erfordert, sind analoge Objektive besser geeignet als Moderne, die erst jetzt wieder, auf Grund der großen Nachfrage, auf Bokehfähigkeit gertimmt werden. Das ganze Sujet finde ich so bekoloppt wie faszinierend.
Die Möglichkeit mit einem Objektive erstaunliche Bokehs zustande zu bringen steigert den Preis. Man findet sie unter „Bokehmonster“ und ich vermute das Helios ist nur deshalb vergleichsweise günstig, weil es so viele davon gibt.
Minolta MC Rokkor 1.4/58mm von 1969. Bei Blende 1.4 sehr weich, gut geeignet für die reifere Haut, wie jemand schrieb. Gerüchteweise das David Hamilton Objektiv.
Teil 7 Worauf sollte man achten beim Kauf?
Hier ein paar Umstände mit denen man hin und wieder zu tun hat.
Der Zahn der Zeit
– Spröder Kunststoff. Bei den meisten Objektiven kein Problem weil sie nur aus Metall und Glass bestehen, bei meinem Flektogon besteht der Fokusring allerdings aus Bakelit. Toi, Toi, Toi
– Gummierungen neigen zum verfärben, kleben oder sind durch den Kontakt mit Sonnenmilch gequollen und sitzen nicht mehr stramm. Beeinträchtigt nicht die Funktion aber nervt natürlich. Betriffte eher Objektive ab den 70iger Jahren als man dazu übergeht Fokus- und Blendenring zu gummieren.

Zoom Objektive, egal wie gut, kosten immer weniger als Festbrennweiten. Ok, sie sind größer schwerer und nicht so Lichtstark. Aber das Preis Leistungsverhältnis ist extrem gut. Wahrscheinlich nur eine Frage der Zeit bis der Hype kommt.
„ausJena“ Pancolar 1.8/50mm. Gebaut 1965-70. Dank des Thoreniums eine strahlende Erscheinung 🙂

„Same, same, but different“. Oben ein Meyer-Optik-Görlitz Primagon 4.5/35, links, ein Meyer-Optik-Görlitz Trioplan 2.8/50mm, rechts ein Carl-Zeiss-Jena Tessar 2.8/50mm. Alle aus den 1950igern im Alumantel.
– Fungus = Pilz. Bei Objektiven die feucht und dunkel gelagert wurden z.B. Keller oder Dachbodenfunde kann im Inneren (warum nur im Inneren?) ein Pilz wachsen, der die Linsen komplett zu wuchert und das Glas angreift. Es handelt sich um keinen speziellen Pilz sondern um ganz normalen Schimmel. Je nach Befall ist das Objektiv hinüber. Beim Blick durchs Objektiv kann man die Fäden erkennen.
– Schneideritis. Kommt bei Objektiven der Firma Schneider Kreuznach vor, aber auch Minolta Objektive sind betroffen. Kleine, weiße, punktförmige Ablagerungen auf den mattierten Innenflächen. Vermutlich ein Fehler beim Beschichten, der erst mit der Zeit sichtbar wird.
Mechanische Defekte
– Die Blende lässt sich nicht einstellen, oder schließt langsam.
Dann sind die Blendenlamellen verölt oder verharzt und müssen gereinigt werden. Das kann man machen lassen, oder selbst den Schraubenzieher auspacken (Durchdrehgarantie). Im Web gibt es Anleitungen wie man fast jedes Alte Objektiv auseinander baut und wieder zusammen. Selbstredent ein eigenes Hobby.
Ich habe es ein Mal versucht und das Ergebnis wanderte geradewegs in die Hofmülltonne, weil ich das Mahnmal meines Scheiterns nicht in der Wohnung liegend ertrug.
– Der Fokusring bewegt sich schwergängig und/ oder dreht unregelmäßig. Der Schneckengang (in dem die Linse zur Scharfstellung vor und zurück fährt) ist durch das alte Schmiermittel verharzt und müsste gereinigt und neu gefettet werden. Das kann machen lassen oder (siehe oben).
– Die Linse ist dezentriert. Passiert oft wenn das Objektiv mal runtergefallen ist. Deswegen: Abnutzung ist ok, Dellen und Beulen nicht. Man erkennt den Fehler wenn auf dem Foto die Ecken unterschiedlich scharf sind. Das kann machen lassen oder (siehe oben).
– Staub, Putzspuren, Nebel auf der Linse. Etwas Staub ist normal, leichte Putzspuren nicht schlimm, Nebel ist verdunstetes Schmiermittel und sollte entfernt werden. Das kann machen lassen oder (siehe oben).
– Verklebung der Linsen hat sich gelöst. Um die optische Leistung zu verbessern werden Linsen verklebt. Die Klebestelle kann sich mit der Zeit lösen, das erkennt man an schillernden Stellen auf den Linsen. Das kann die Abbildungsleistung beeinträchtigen.
– Klappern sollte nichts und die Elemente dürfen kein Spiel haben.
– Man vermutet etwas sei kaputt, hat aber nicht verstanden wie es funktioniert. Vorwahlblende, Springblende.
Konstruktion
– Anzahl der Blendenlamellen. Ein heiß diskutieretes Thema. Viele Blendenlamellen sorgen womöglich für eine rundere Öffnung der Blende, dies könnte das Bokeh verschönern, weniger Blenden begünstigen u.U. eine schnellere Verschlusszeit. #Voodoo. Mann kann auch noch darüber streiten ob die Lamellen silber sein dürfen oder schwarz sein sollten. #Reflektion#Voodoo.
– Modelle mit hoher Lichtstärke sind nicht unbedigt besser, aber im Normalfall teurer. Eine Stufe kann schon den Preis verdoppeln.
– Kein Fehler, aber eine Besonderheit. In den 60iger Jahren wurde mit neuen hochbrechenden Glassorten experimentiert. Unter anderem wurde schwach radioaktives Thorenium verwendet, welches mit der Zeit zum vergilben neigt. Ich habe zwei Linsen bei denen das Glas verwendet wurde. Die erste lichtstarke Version eines Pancolars von Carl Zeiss Jena und ein ebenfalls sehr lichtstarkes Takumar. Die Linsen sind gelblich verfärbt, es wirkt sich allerdings kaum auf die Abbildungsleistung aus. UV Strahlung mildert den Gelbstich, man kann die Objektive also einfach in die Sonne legen. Die Strahlung ist laut unterschiedlicher Quellen, so gering, daß man die Gläser einatmen müsste um einen Effekt zu erzielen.
In West Deutschland war die Produktion übrigens verboten (nicht der Verkauf), nicht wegen der Strahlung sondern wegen der umweltschädlichen Herstellung.
– „mint“ Condition bedeutet das Objektiv ist im neuwertigen Originalzustand. Wenn die beweglichen Teile allerdings nie benutzt wurden ist womöglich das Schmiermittel eingetrocknet.
– Schön wenn bei den Objektiven, die original Deckel, die original Gegenlichtblende, der original Verpackungskarton und der original Köcher dabei sind. Das ist so gut wie nie der Fall, wenn doch, Bingo! Eigentlich nur wichtig für Sammler, aber man kann deutlich höhere Preise aufrufen. Besonders ausgeschlafene Anbieter denen ihr Karma schnuppe ist, bieten die Sachen einzeln zum Verkauf. 15 Euro für den original Karton, 30 Euro für die Deckel ect.
Man kann passende Abdeckungen ect. nachkaufen, es ist dann aber eben nicht original und die alten Pentaxdeckel z.B. sind sehr hübsch.
Defekte auf der Linse sind oft schwer zu erkennen. Am besten schaut man mit einer Lupe durch das Objektiv in eine Lichtquelle.
Auch durch Anhauchen der Gläser werden Fehler sichtbar. Fehlt bei Schrauben der Lack, oder sind sie ausgeschlagen wurde das Objektiv wahrscheinlich schon mal geöffnet.
Das war’s mehr oder weniger schon,
gar nicht so schlimm, oder?

Objektivgewordener Muscle-Car. Das SMC Pentax-M 2.0/85mm. Eine eher seltene und deswegen gesuchte Brennweite für Portraits.
Teil 8 Selber reparieren DIY
Wie schon angedeutet sind chirurgische Eingriffe im inneren des Objektivs was für Profis. Es braucht Spezialwerkzeug, eine ruhige Hand, man muss Freude am Scheitern haben und gesunde Knie, wenn man stundenlang ein sandkorngroßes Schräubchen auf dem Küchenboden sucht.
Dennoch, ein paar Tips zum selbermachen.
– Backofen Kur. Man kann Objektive die nur aus Glas und Metall bestehen bei Schwergängigkeit etwa 20 min bei 55 Grad in den Backofen legen. Das macht das Schmiermittel unter Umständen wieder geschmeidig. Dann langsam hin und her drehen. Diese Prozedur wird allerdings kontrovers diskutiert und Vorsicht, es droht eine Sehnenscheidenentzündung.
– Wundermittel Balistol. Das ungiftige, für die Armee Anfang des 20 Jh entwickelte Waffenöl. Schützt säubert, kriecht in Gewinde und macht sie (manchmal) wieder geschmeidig, oder entfernt Sandkörner. Ist den Versuch wert, wenn man das Objektiv nicht aufschrauben möchte. Immer mit einem Wattestäbchen auftragen. Denn sollte zu viel davon durch die Gewinde kriechen und, oh Schreck, auf die Blendenlamellen kommen, siehe oben.
– Adapter modifizieren. Adapter für den alten Universalanschluss M42 haben im Normalfall einen Kragen aus Aluminium hinter dem objektivseitigen Gewinde, der den Stift, mit dem die Blende bei vielen Modellen automatisch geregelt wurde, eindrückt und so auf manuell schaltet.
Bei einigen Modellen dreht sich der hintere, bewegliche Teil beim Fokussieren ein Stückchen aus dem Objektiv heraus uns stößt an. Dann hilft nur wegfeilen des Kragens.

Teil 9 Wie viele Objektive braucht es?
Theoretisch könnte man 90% der Bilder mit zwei, drei Objektiv machen. Während man bei Modellen aus unterschiedlichen Zeiten noch Unterschiede wahrnimmt, gelingt das bei Objektiven aus der gleichen Ära kaum, mir jedenfalls nicht. Leider, auch wenn das zu einigen Thesen hier Fragen aufwirft. Andererseits: sei vorbereitet…
Das ganze geht jedenfalls schnell ins Uferlose. Die einen verkaufen ständig um neuem Platz zu machen, andere versuchen sich auf bestimmte Marken zu konzentrieren oder geben einfach auf.
Eine dritte Gruppe von Objektivliebhabern, neben Bokeh-Freunden und Bastlern, wurde noch gar nicht erwähnt. Die größte vermutlich und sie passt gut an diese Stelle. Vergleichstester lassen eine Reihe von Objektiven einem Test gegeneinander antreten. Das ganze ist extrem aufwendig, denn es werden mit allen Objektiven, bei jeder Blend und unterschiedlichen Entfernungen Fotos geschossen, verglichen und ausgewertet. Nich selten betrachtet man 40 Einstellungen der immer gleichen Dachkante. Wie anfangs beschrieben geht es um Schärfe, Verzeichnungen, chromatische Aberration, Flares und vieles mehr. Der Laie sieht eine Dachkante, der Profi eine ganze Welt. #Voodoo
Teil 10 Die Sammlung
Es gibt, wie gesagt, Unmengen an Angeboten und am Anfang habe ich gesucht was interessant, exotisch oder lustig klang. Deswegen das Helios, dann, ebenfalls aus russischer Produktion, ein Industar 50-2, 50/3.5, welches nur etwa 1,5 cm tief ist und etwa 3 cm im Durchmesser hat und liebevoll Schweineschnauze genannt wird. Ich habe sogar zwei davon, das letztere hat mit (defekter) Kamera 9 Euro gekostet. Beides vollwertige Objektive mit Charakter übrigens.
Für eine Sammlung um in der Community ernst genommen zu werden braucht man viel Platz. Meine Idee das Bücherregal durch eine Vitrinenwand für Objektive zu ersetzen, wurde von E mit „Ich glaub es hackt“ verworfen. Somit bleibt mir nur der begrenzte Raum einer Kommode, vielleicht auch ganz gut so. Die Community ist übrigens hilfsbereit, auskunftsfreudig und schnell beleidigt. Hier ist also Fingerspitzengefühl gefragt.

Here we are
1. Minolta (Rokkor)
Der Vorläufer wurde 1928 als Nichi-Doku Shashinki Shōten (日独写真機商店, „japanisch-deutsches Kamerageschäft“) gegründet und 1931 in Minolta KG („Mechanismus, Instrumente, Optik und Linsen von Tashima“) umbenannt.
Das Design der Objektive ist angenehme und funktional, die Farbwiedergabe satt und warm. Für mich das Pendant zu einem Ford Capri. Im Gegensatz zum Capri aber technisch ausgereift.
70iger Jahre pur. Brauner Bär – Prilblumen – Minolta.
Seltsamerweise nie die erste Wahl für Profis.
Minolta ist In Deutschland weit verbreitet. Die Auswahl an analogen Modellen ist riesig, alle besitzen den SR Anschluss, obwohl überwiegend Objektive mit MC und MD Bajonett angeboten werden, diese Kürzel bezeichnen aber nur unterschiedliche Funktionsmöglichkeiten, der Adapter passt für alle.
Die MC Varianten sind die Älteren. Der Zusatz „Rokkor„ wurde bis 1980 benutzt. Rokkõ ist der Name eines Berges den man von der ersten Fertigungsstätte in der Nähe von Osaka aus sehen konnte, dem Zeitgeist folgend wurde ein „or“ ans Ende gehängt.
Minolta MC Macro Rokkor 3.5/50mm + Macro Adapter. Dank neuem Glas und neuer Berechnung eine der besten Linsen überhaupt.
Die Preisen sind moderat, von seltenen Liebhaberstücken abgesehen und alle Linsen sind hervorragend verarbeitet. Made in Japan eben.
Die Zeiss Modellen auf beiden Seiten des eisernen Vorhangs wirken dagegen richtig oll. Alle späteren Modelle mit Autofokus und A Bajonett sind, wie auch bei Pentax unschöne Plastik Dosen. 2006 gab Minolta, einer der traditionsreichsten Hersteller, seine Fotosparte auf, weil mit Druckern mehr zu verdienen war, Die Belegschaft erfuhr davon aus der Zeitung.
Minolta MD Zoom Rokkor 4.0/ 24-50mm. Gebaut etwa 1978. Im inneren werkeln 13 Linsen. Das Zoom ist auf Festbrennweitenniveau und ein echter Brocken. Seinerzeit, auf Grund der komplexen Bauweise eines der teuersten Modelle.
2. Ashai Pentax Takumar und Pentax SMC-M
Der Name Ashai taucht zum ersten mal 1919 auf, ab 1933 werden Linsen und Kameras hergestellt ab, 1938 lautet der Name Asahi Kōgaku Kōgyō Kabushiki-gaisha (旭光学工業株式会社, „Asahi Optical Co“.
Der Name Pentax setzt sich zusammen aus den Bezeichnungen „Pentaprisma“ und „Contax“ und wurde 1957 vom VEB Zeiss IKON (!) an Asahi Optical verkauft.
Takumar bezieht sich auf den Namen Takuma Kajiwara, den Bruders des Firmengründers. Die Objektive sind noch eine Tick besser verarbeitet als die Minolta Objektive und Tak-Scharf (stehender Begriff). Es gibt sie in Auto, Super und Super Multi Coated Versionen. Die Kombination von Verschiedenen Metallen bei den beweglichen Teilen macht sie zu einem Handschmeichler erster Güte. 1957 wurde der M42 Anschluss eingeführt. Für einigen Modelle muss der Adapter angepasst werden (s.o.) und Takumare sind etwas teurer als der Durchschnitt.
Pentax SMC-M
Eingeführt 1976 für die neuen kompakten Pentax M Kameras mit K Anschluss. Klein aber massiv und ebenfalls eine Wonne zum in der Hand halten. SMC steht für Super Multi Coated und bezieht sich auf die Vergütung der Linsen.
Im Vergleich zu Minolta sind sie hier nicht so verbreitet, eher in den USA. Auch der Look ist irgendwie amerikanisch. Awesome, wenn nicht sogar outstanding.
Vom Design gefallen mir allerdings die Minolta und alten Takumare besser. Die Abbildungen wirken etwas kühler als bei Minolta. Die Preise sind einen Tak 😉 günstiger. Diese Modelle haben einen PK Anschluss. Auch Pentax hat seine Fotosparte eingestellt.

Carl-Zeiss-Jena Sonnar 3.5/135 Tele Objektiv. Auch diese Brennweiten sind vergleichsweise günstig. Von allen alten Damen ist dies die klapprigste. Schade, denn die Optik ist noch gut im Schuss. Hier kann man noch mal einen Blick auf den M42 Anschluß und den Blendenstössel werfen.
3. Carl Zeiss Jena bzw. „aus Jena“
Der Ursprung des Unternehmens reicht bis 1846 zurück als Carl Zeiss eine feinmechanisch-optische Werkstatt in Jena eröffnette. Nach dem WK II folgte die Aufspaltung.
Die Zeiss Unternehmen in Jena und neu angesiedelt in Oberkochen arbeiteten bis 1953 eng zusammen, dann trennten sich auf verlangen der Politik die Wege. Der folgende 18 Jahre dauernde Namensstreit fühte dazu daß ab 1971 die westdeutschen Zeiss Produkte im Ostblock unter „Opton“ fimierten, die des VEB Carl Zeiss aus Jena im Westen unter der Marke „ausJENA“.
Die Geschichte des ostdeutschen Vorzeigebetriebs ist, meist von Privatpersonen, akribisch dokumentiert, oft mit starkem DDR Bezug und leichter Wehmut.
Meine Objektive stammen aus den späten 50ziger und 60iger Jahren. Die Namen bezeichnen eine bestimmte Anordnung und Brechungswinkel der Linsen. So gibt es z.B Biotar, Tessar, Flektogon oder Sonar auch von anderen Herstellern (teilweise mit anderen Namen). Das Tessar wird ob seiner optischen Leistung übrigens Adlerauge, das Flektogon Ein Mann Armee genannt.
Ein optisch auffälliges Merkmal 60iger Jahre ist das sogenannte Zebra Design, eine Anspielung darauf daß Blenden und Fokusring farblich zwischen schwarz lackiert und silber metallisch wechseln. Meine älteren Tessare aus den 50igern sind ganz aus Aluminium. Die Objektive sind robust, burschikos und antiquiert im Design. Die Abbildungsleistung ist superb, das Handling bei meinen Exemplaren wechselt allerdings zwischen schwergängig und klapperig. Das Schmiermittel war bekannter Weise nicht das beste und ist mit der Zeit eingetrocknet. Je nun, mit etwas Fingerspitzengefühl und wenn man keine Action Fotos macht, kommt man gut zurecht. Ich stelle mir vor es handele sich um alte Damen, die, wenn man ihnen ein wenig Aufmerksamkeit und Geduld entgegenbringt, es einen um so mehr im Ergebnis danken.
Bestimmte Modelle sind (Bokeh mal wieder) übertrieben teuer, andere sehr günstig und die mechanische Qualität schwankt wie gesagt erheblich.
Modelle mit M42 Anschluss sind weit verbreitet.
4. Carl Zeiss
Schon wieder Zeiss. Langsam wird’s unübersichtlich. Zeiss Icon wurde 1926 in Dresden gegründet, Hauptaktionär Carl Zeiss aus Jena. Die Objektive als auch die Icarex Kamera werden Ende der 1960iger Jahre bei der Zeiss Icon Tochter Voigtländer in Braunschweig gefertigt, aber mit Carl Zeiss gelabelt.
Über den hier verlinkten Artikel bin ich auf das sagenumwobene Ultron 1.8/50mm gestoßen und konnte kurz darauf eins erlegen 😉
www.marc-heckert.de/der-ikarus-zeiss-ultron-1-8-50/
Wie im Text beschrieben ist das Objektiv nicht kompatibel mit gängigem Zubehör. Der Versuch eine Streulichtblende oder einen Filter zu finden (überhaupt heraus zu kriegen welcher passt) führte mich im Netz zu einer freundlichen Seele, der ich aus Dankbarkeit gleich auch noch ein Objektiv aus der gleichen Reihe abkaufte. Ein Drittes versteckte sich in einem Konvolut und sehr viel mehr gibt es nicht. Die Bildleistung des Ultrons ist gigantisch, die Aufnahmen der gesamten Objektiv Serie wirken zudem außergewöhnlich plastisch.
Bis auf das Ultron ist der Rest günstig zu kriegen, leider haben die meisten Objektive einen Icarex Anschluss (eigener Anschluss nur für diese Kamera, was hat man sich dabei nur gedacht?!) und den Adapter muss man in China bestellen, was etwa 4 Wochen dauert. Spätere Exemplare haben wieder einen M42 Anschluß. Das Design ist elegant aber altbacken. Mechanisch liegen die Objektive auf höchstem Niveau.

Carl Zeiss Ultron 1.8/50mm. Gebaut etwa 1969. Man beachte die Öhrchen am stufenlosen Blendenring. Wunderbares Objektiv, leider verweigert es sich jeder Art von Zubehör. Die Frontlinse ist, Für Objektive sehr ungewöhnlich, konkav.

„ausJENA“ Flektogon 4.0/ 25mm. Gebaut zwischen 1960-67 im klassischen ZEBRA Design. Nach heutigen Maßstäben mit einer Anfangsblende von 4.0 nicht sehr Lichtstark. Mein Exemplar macht dennoch wunderbare Bilder. Der Fokusring läuft ein wenig unrund, das liegt am minderwertigen Schmiermittel, welches in dieser Zeit benutzt wurde.
Bei einem Weitwinkel fallen die Strahlen extrem schräg ein. Ein Sensor (im Gegensatz zum Film) kann aber Licht nur bis zu einem bestimmten Winkel erfassen, dies kann zu Qualitätsverlust führen obwohl das Objektiv in Ordnung ist.
Wer sich ein wenig angesprochen fühlt...
…dem kann ich versprechen das sich eine neue Welt auftut. Das Ganze ist so simpel wie komplex, die Befriedigung wieder etwas gefunden, gelernt oder verstanden zu habe enorm.
Sei vorbereitet...

Mein erstes Fotoshooting in Rom. Eigentlich sollte ich nur ein Handyfoto machen, dann packte mich der Ehrgeiz.
Appendix und Informationen
Tiefe Einblicke in das Thema Objektive generell, aber auch zu manuellen Linsen, von Anders Uschold und Martin Krolop findet ihr hier. Nehmt euch viel Zeit. Unbedingt empfehlenswert
Icarex 35 CS von 1969, der Sargnagel der Westdeutschen Fotoindustrie. Das Objektiv ist ein Schneider Kreuznach Edixa-Xenar 2.8/50mm. Eine unglaublich aufwendige Konstruktion in tollem kitschigen 70iger Jahre Design. Der Blendenstift hinten ist ebenfalls so aufwendig konstruiert, dass die Rückholfeder abgesprungen ist. Keine große Sache, wenn man zur Reparatur Nerven aus Stahl mitbringt. Das unruhige Bokeh hilft auch nicht weiter.
Icarex 35 CS von 1969, der Sargnagel der Westdeutschen Fotoindustrie. Das Objektiv ist ein Schneider Kreuznach Edixa-Xenar 2.8/50mm. Eine unglaublich aufwendige Konstruktion in tollem kitschigen 70iger Jahre Design. Der Blendenstift hinten ist ebenfalls so aufwendig konstruiert, dass die Rückholfeder abgesprungen ist. Keine große Sache, wenn man zur Reparatur Nerven aus Stahl mitbringt. Das unruhige Bokeh hilft auch nicht weiter.