Alte Objektive
Eine nicht so objektive Einführung ins Thema
Teil 1 Der Einstieg und mein erstes Objektiv
Spätsommer 2019. In der Küche eines netten Russen begutachte ich – mit ernster Miene – den Nachbau eines Zeiss Objektivs,
ein >Helios 44-2. Brennweite 58mm, Blende 2.0. Dieses Objektiv aus sowjetischer Produktion trägt den Beinamen „Bokehmonster“ (dazu später mehr) und ist eine der Linsen, die in diversen Foren wärmstens empfohlen werden.
Eigentlich wollte ich auf Tour (=Bandtour mit den 17 Hippies) ein paar Videos drehen und Bilder machen, die man später für das ein oder andere Projekte nutzen könnte und hoffte, eine neue Kamera plus zwei Objektive würden ein wenig Schwung in die Sache bringen.
Beim Stöbern auf YouTube zum Thema Video, landete ich ziemlich schnell bei alten „analogen Objektiven“. Warum? Man kann (muss) sie im Gegensatz zu vielen modernen Modellen per Hand bedienen, was ich reizvoll finde, und zudem geben Linsen aus den verschiedenen Jahrzehnten tatsächlich bauweisenbedingt die Ästhetik ihrer Zeit wieder. Ich war hin und weg, durchforschte die Kleinanzeigen und machte mich kurz darauf auf den Weg nach Schöneiche bei Berlin, um mein erstes analoges Objektiv zu kaufen.
Nachdem ich mich am Küchentisch davon überzeugt hatte, ein Objektiv in der Hand zu halten (mehr konnte ich dazu nicht sagen), wurden wir uns schnell handelseinig und beschwingt trat ich den Rückweg an. Dieses Model wurde, wie ich mittlerweile weiß, millionenfach in der Sowjetunion gebaut und findet hier für das zigfache des Einkaufspreises Abnehmer. Aber ich will keinem Unrecht tun, die Nachfrage ist da, ich selbst habe ja keine Quelle in Russland, die Linse ist in gutem Zustand und zigfach bedeutet 45 €.
Als die Suche nach Objektiven kurze Zeit später obsessive Formen annimmt, meint M, der ich davon erzähle, man müsse manchmal einem Impuls folgen, ohne nach dem ‚Warum‘ zu fragen, um, wenn man es dann weiß, vorbereitet zu sein. Ein Mantra, das ich seitdem gerne vor mich hin murmele, sei vorbereitet … sei vorbereitet … worauf, wird sich noch weisen.
Aber, wovon reden wir hier eigentlich?
„All killer, no filler“. Oben ein SMC Pentax-M 2.8-3.5/35-70mm, oben links ein ausJENA Flektogon 4.0/25mm, im Zebra Look in der Mitte ein Minolta MC Rokkor 1.4/58mm, daneben ein ausJENA Pancolar 1.8/50mm, unten links ein Carl Zeiss Tessar 2.8/50mm, in der Mitte unten ein Meyer-Optik-Görlitz Primagon 4.5/35mm und daneben das kleine Industar 50-2 3.5/50mm aus sowjetischer Produktion.
Teil 2 Alte Objektive aka Altglas
Alte Objektive sind solche, die ohne Elektronik auskommen und ein Bajonett oder Gewinde haben. Sie wurden zwar für analoge Kameras entwickelt, man kann sie, per Adapter aber auch vor den Sensor einer aktuellen Kamera packen. Grob gesagt, handelt es sich um Objektive die Ende der 40er bis Anfang/Mitte der 80er Jahre gebaut wurden.
Bei den Adaptern handelt es sich um kurze Zwischenstücke aus Metall. Es gibt sie für jeden gängigen Anschluss und man kann fast jedes Objektiv an die eigene Kamera dengeln. Alle Made in China und von der Qualität soweit ok. Es gibt minimale Abweichungen, einige Kandidaten sitzen stramm an der Kamera, andere etwas lockerer, aber Immerhin, sie funktionieren. Online ab 10 €, wenn man aus China ordert ab 5 €.
Die Bezeichnungen sind teilweise etwas verwirrend. Der Adapter für den Sony e-mount Anschluss nennt sich NEX nach der gleichnamigen Modellreihe, passt aber für alle Kameras mit diesem Anschluss.
Hier als Beispiel ein >m42-nex-objektivadapter
M42 ist die Bezeichnung für einen Ende der 40er Jahre entwickelten, weit verbreiteten, markenübergreifenden Schraubanschluss. Mit einem Inbusschlüssel lässt sich das Gewinde im Adapter justieren, damit die Blendenskala des Objektivs oben liegt.
Links ein Adapter für das Minolta MC/MD Bajonett, rechts für den M42 Anschluß. Man erkennt den Aluminiumkragen, der für bestimmte Objektive abgeschliffen werden muss.
Auflagemaß. Damit wird der Abstand des Objektivs zum Film, bzw. Sensor bezeichnet. Bei einer analogen Minolta beträgt dieser 43,5mm bei einer Sony A7 18mm. Das bedeutet der Adapter braucht eine Tiefe von 25,5mm (18+25,5=43,5), damit man mit einem alten Minolta (MD/MC) Objektiv problemlos an einer Sony Kamera mit e-mount fokussieren kann. Leider kommt dieser Adapter deswegen ziemlich wuchtig daher, damit muss man leben. Die Hersteller verwenden unterschiedliche Auflagenmaße, dementsprechend variieren die Adapter.
Wenn das Maß nicht stimmt, ist es unter umständen nicht möglich auf *“unendlich“ zu fokussieren. Scharfstellen im Nahbereich geht gut. Hier ein interessantes Video zur Problematik. >Auflagemaß
Will man auf den Adapter verzichten, so sind seit Kurzem analoge, sehr lichtstarke Objektive zu günstigen Preisen, für die gängigen Anschlüsse von u.A. 7Artisans, Kamlan oder Meike auf dem Markt. Ich habe aber noch keins ausprobiert.
Man kann sich auch eine aktuelle >Pentax Kamera besorgen, da bei diesen immer noch das alte PK Bajonett verbaut ist, an dem alle Pentax Objektive ab 1976 verwendet werden können. Leider führt die Marke mittlerweile ein ziemliches Schattendasein, was sie für Dritthersteller von Zubehör nicht sonderlich attraktiv macht.
So oder so, seit die Adaptierung kein Problem mehr ist, hat die Renaissance alter Objektive Fahrt aufgenommen, wobei schon seit über 20 Jahren mit Anschlussmöglichkeiten experimentiert wird.
*Mit vielen meiner Adaptern kann ich über „unendlich“ hinaus fokussieren, das Bild wird dann wieder unscharf. Ich vermute die Herstellern bauen ihre Adapter lieber so, als Gefahr zu laufen gar nicht erst bis unendlich zu kommen.
Eines der ersten Portraits, vor lauter Aufregung habe ich mir das Objektiv nicht gemerkt.
Teil 2a Besonderheiten, Unterschiede & die richtige Kamera
Bei analogen Objektiven schippert man unweigerlich im Bermudadreieck der Fotografie, also Blende – Belichtungszeit – ISO (der Wert, der die Lichtempfindlichkeit des Films bzw. des Kamerasensors angibt). Das Zusammenspiel dieser drei Komponenten sind die Grundpfeiler der Fotografie, daran hat sich nichts geändert.
Moderne Objektive senden laufend Daten an den Rechner der Kamera, die sich mit diesen Informationen automatisch auf das Motiv einstellen kann, null Problemo. Man muss sich schon Mühe geben, um im (Auto)matik Modus ein technisch schlechtes Foto zu machen.
Objektive, die 50 und mehr Jahre auf dem Buckel haben, kommunizieren – wie man sich denken kann – nicht mit der Kamera, sondern sind auf flinke Finger angewiesen verbunden mit dem zeitgleichen Überblick über die oben genannten Einstellungen. Wobei die Blende und Schärfe am Objektiv, Verschlusszeit und ISO Wert an der Kamera eingestellt werden.
– Bauliche Besonderheit: Hatte früher ein Schalter an der Kamera eine eindeutige Funktion, gibt es heute Wippen und Multifunktionstasten, die nicht immer so funktionieren, wie man denkt. Bei Geräten, die in hohem Tempo entwickelt werden, hat man oft den Eindruck, dass sie in der Handhabung nicht zu Ende gedacht sind, schade. Man möchte nur eine Gang einlegen und um die Kurve biegen, sitzt aber im Cockpit eines Kampfjets, bildlich gesprochen. Macht aber Sinn, wenn der Kunde alle Funktionen haben möchte, am Ende aber doch nur mit Autopilot knipst.
– Welche Kamera? Hier landet man schnell im siebten Kreis der Hölle, weil es so viele Experten wie Nutzer gibt, deswegen hat das Thema auch keinen eigenen Abschnitt.
Spiegelreflexkamera waren Jahrzehnte der Standard, mittlerweile werden sie von Modellen ohne abgelöst. Bei diesen „spiegellosen“ Kameras wird einfach ein Abbild dessen, was auf dem Sensor Chip der Kamera landet, an den Sucher geschickt, man sieht also das Bild so, wie man es aufnimmt. Ich habe nur Erfahrung mit der >Sony a7 II und der >Sony a6400. Die Marke ist bekannt für ihre gute Ausstattung und top Videoqualität und berüchtigt wegen der vertrackten Bedienung. (Update: Bei den neuen 2020 Modelle soll das Problem endlich behoben sein). Die a7 II ist ein Vollformat Allrounder und wird oft zum adaptieren benutzt. Sie ist zwar schon etwas älter, aber ein ordentlicher Kompromiss bis der Nachfolger, die a7 III im Preis fällt. Ich habe sie mit Batteriegriff (denn der kleinen Akku ist ziemlich schwach) gebraucht gekauft. Die a6400 ist ein kompaktes, aktuelles (2020) APS-C Modell. Da ein Bildstabilisator fehlt, benutze ich es vor allem für meine 2 Objektive mit Autofokus (der ist bombe) und zum filmen. Bedenken sollte man, daß einige Objektive ziemliche Klopper sind, da liegt die größere Kamera wesentlich besser in der Hand.
– Auflösung. Bei dem gängigen Auflösungsvermögen des Kamerasensors von 24 – 36 Megapixeln, damit kann man etwa Din A3 ohne Qualitätsverlust ausdrucken, halten die Objektive gut mit. Bei höheren Auflösungen werden baubedingte Abbildungsfehler womöglich sichtbar, aber da kommen auch moderne Exemplare ins straucheln, irgendwo ist sicherlich eine Grenze erreicht.
– *Fokussieren. Bei allen Marken ist manuelles fokussieren das Nadelöhr durch das man durch muss. Jetzt wird’s tricky.
Moderne Kameras sind auf Autofokus Nutzung getrimmt, die Kröte muss man schlucken. Bei Spiegelreflexkameras ist das Bild im Sucher sehr detailliert, man kann es zwar nicht vergrößern, aber es gibt (gab) sehr gute Fokussionshilfen, leider lässt sich gerade bei neuen Modellen, z.B. die Mattscheiben nicht mehr problemlos austauschen und an die eigenen Bedürfnisse anpassen. Ich habe zwar keine aktuellen Erfahrung damit, aber in den Foren wird das einsparen optischer Hilfestellungen allgemein beklagt.
Leica hat noch Kleinwagen teure Modelle mit >Messucher im Angebot, das war’s.
– Vorteil von spiegelloser Kameras. Diese haben im wesentlichen zwei Funktionen um damit das Motiv manuell scharf zu stellen. Das Bild IM Sucher und auf dem Monitor (Live View) lässt sich mit einer Lupenfunktion vergrößern und es gibt das sogenannte Focus-Peaking, bei dem die Bereiche farblich hervorgehoben werden, die scharf sind.
Trotzdem bleibt das Fokussieren umständlich, weil man zum Scharfstellen vergrößern und für die Bildkomposition wieder verkleinern muss und das Peaking für Aufnahmen mit geringer Tiefenschärfe zu ungenau ist, weswegen man nachjustieren muss. Aber immerhin, es funktioniert, saugt jedoch den Akku leer.
Je detaillierter der Monitor bzw. der Sucher der Kamera auflöst, um so einfacher ist das Scharfstellen. Bei meinen Exemplare ist noch Luft nach oben, aktuelle Modelle sind da deutlichen im Vorteil, kosten aber eine Stange Geld. Ich denke in 3 bis 4 Jahren sind sie dann einigermaßen günstig zu kriegen.
– Bildstabilisator: Ein Bildstabilisator IN der Kamera hilft sehr, wenigstens das kann ich aus eigener Erfahrung sagen.
Fazit: Will man etwas fotografieren, was sich schnell bewegt, ist es schon über alle Berge und hat wahrscheinlich Abendbrot gegessen, bis man alle Einstellungen vorgenommen hat und so weit ist, den Auslöser zu drücken.
Deswegen werden auffällig oft Bilder von Blumen gepostet, man kann sich denken warum. #Entschleunigung
* Mag sein das es Kameras gibt mit denen man anderweitig schnell fokussieren kann. Falls ja, bin ich über jede fundierte Info dankbar und spendiere ein großes Stück Torte + Fanfaren und Schalmeien. 👍
Zwei Takumare: ein lichtstarkes SMC Takumar 1.4/50mm mit radioaktiver Linse und ein Super-Takumar 3.5/35mm. Versionen mit Einbuchtungen am Fokusring nennt man „Berg und Tal“.
„Black beauty“ Minolta MD Zoom Rokkor 4.0/ 24-50mm
Teil 3 Wozu denn nun der ganze Aufwand?
“The test of the machine is the satisfaction it gives you. There isn’t any other test. If the machine produces tranquility it’s right. If it disturbs you it’s wrong until either the machine or your mind is changed.”
Robert M. Pirsig, Zen and the Art of Motorcycle Maintenance: An Inquiry into Values
– Mir gefällt das hohe Abbildungsniveau und der weichere Look der Aufnahmen. Moderne Objektive neigen dazu, sehr knackig abzubilden, was sie ästhetisch in Richtung Smartphone tendieren lässt (aber wenn ich das will, benutze ich eben mein Handy). Kontrastreiche Bilder wirken auf kleinen Bildschirmen besser und Qualitativ sind Aufnahmen mit dem Smartphone mittlerweile auch ebenbürtig, womit man schon wieder unter Rechtfertigungsdruck gerät, wofür man den ganzen Aufwand betreibt.
Übertragen auf Tonträger, haben klassische Objektive die Qualität von Vinyl. Der Klang ist nach wie vor „State of the Art“. Es ist nur unbequem, eine Platte alle 20 min umzudrehen oder auf die Automatikeinstellung der Kamera zu verzichten. Der Fortschritt im Fotobereich wird in Zukunft vor allem im Komfort liegen und vermutlich werden wir eine starke Verschmelzung mit dem Smartphone erleben.
Die Physik setzt Grenzen, deswegen können alte Objektive immer noch so gut mithalten. Will man über diese Grenzen hinaus, muss man elektronische manipulieren. Beim Aufbohren der Lichtstärke, bei der Verbesserung der Auflösung oder sagen wir besser, Anpassung an die Besonderheiten eines Sensorchips oder die Gewichtsreduzierung, braucht es digitale Helferlein, um bezahlbar zu bleiben. Mechanisch sind moderne Objektive sogar oft einfacher gebaut, weil das Bild nicht mehr nur über die optischen Komponenten erzeugt wird. Fairerweise sollte man anmerken, daß sich moderne Linsen, also die optischen Elemente, durch neue Berechnungen und moderne Vergütungsverfahren weiter entwickelt haben, ein Umstand der womöglich bei sehr hoch auflösenden Kamerasensoren zum tragen kommt. (Bei den Modellen mit den üblichen 24 – 36 Megapixeln Auflösung und was anderes hatte ich noch nicht in der Hand, ist es, wie gesagt, unproblematisch).
– Mir gefällt die Makellosigkeit, mit der Artefakte aus dem Kambrium der Fotografie nach über 50 Jahren noch funktionieren – nicht alle, aber viele. Fokusringe, die unhörbar und seidenweich ineinander gleiten, das Gewicht von ausschließlich Glas und Metall, die Präzision der Fertigung, das Zusammenspiel der einzelnen Elemente – all das bringt mich zum Jauchzen und wer das Buch „Zen oder die Kunst ein Motorrad zu warten“ gelesen hat, begreift im wörtlichen Sinn den vom Autor beschriebenen philosophischen Aspekt von Qualität. (Die Lektüre kann ich nur wärmstens empfehlen*.)
*und das Buch Traumpfade von Bruce Chatwin auch.
Elektronische Elemente oder Motoren, die den Geist aufgeben, gibt es erst gar nicht und gammeliger Kunststoff ist noch kein Thema. Moderne Objektive werden nicht Jahrzehnte funktionieren. Sollen sie auch nicht, da die Technik in ein paar Jahren sowieso veraltet ist. Der Zenit dessen, was mechanisch machbar ist, wurde Mitte der 80er Jahre erreicht, ab dann wird’s im wahrsten Sinne hässlich.
– Mir gefällt daß man mit einem anderen Mindset fotografiert. Da man gezwungen ist sich mehr mit allen Aspekten einer Aufnahme auseinander zu setzen, haben auch die Bilder mehr Wert.
– Mir gefällt die Geschichte hinter den Marken und Objektiven, mir gefällt die Gründlichkeit, mit der Menschen jeden Aspekt einer Linse recherchieren, zusammentragen und veröffentlichen, die historischen Zusammenhänge, die Irrungen und Wirrungen. Alleine der Untergang der (west)deutschen Fotoindustrie in den späten 60er Jahren liest sich wie eine antike Tragödie. >www.klassik-cameras.de/Icarex.html
– Und mir gefällt es in Kleinanzeigen zu stöbern, es ist geradezu meditativ. Ich befürchte das Jagen und Sammeln ist der größte Spaß dabei, Fotos zu machen ein Alibi.–
Kurz gesagt: Alte Objektive sind ästhetisch, sinnlich, zeitlos, funktional, nachhaltig, historisch interessant, verfügbar, günstig und machen glücklich! Was will man mehr?
Rechts das Helios 44-2 2.0/58mm, mein erstes Objektiv. Man beachte das kleine Zeichen links innen. Es zeigt an, in welchem Werk das Objektiv gefertigt wurde. MMP – Мincan Мmechanical ЗAvod, benannt nach S. I. Vavilov, seit 1971 BelOMO (Бelorussian ОbirdМmechanical Оunification).
Links das Industar 50-2 3.5/50mm, das mit Abstand kleinste Objektiv meiner Sammlung. Wirkt zwar wie ein Spielzeug und ist auch etwas klapprig, aber sehr viel besser, als man ihm zutraut. Hersteller: Optisch-mechanisches Werk ‚Jupiter‘, Valdai.
Teil 4 Preise & Verfügbarkeit
– Die Preise für ein Objektiv bewegen sich zwischen 5 und 400 €, ein paar wenige sind astronomisch teuer, der Großteil ist für 25 bis 60 € zu kriegen. Das macht die Sache so verführerisch. Wenn man bedenkt, dass man für ein modernes Hochleistungsobjektiv schnell 2000 € oder mehr zahlt, kann man sich ausrechnen, wieviel Spaß man sich für diesen Betrag gönnen kann. Und es gibt ihn im Überfluss.
Zoomobjektive, Brennweiten von 50 mm* (Standard Objektiv) und ab 135 mm sind günstig, Objektive von Drittherstellern** ebenfalls. Marken wie Porst, Revuenon, Vivitar, Tokina ect. sind keineswegs minderwertig, auch sie halten seit Jahrzehnten und man kann damit sehr glücklich werden. Bekannte Marken wie Nikon, Canon, Yashica, Fuji, Minolta, Pentax ect. sowie Carl Zeiss Jena und Meyer-Optik-Görlitz aus ostdeutscher Produktion, tummeln sich preislich im mittleren bis oberen Mittelfeld. Einige Exoten je nachdem. Extrem teuer ist Altglas von Leica.
Viele Objektive gibt es in diversen Varianten, die sich qualitativ und preislich unterscheiden. Die Zahl der Blendenlamellen, unterschiedliche Farben bei der Blendenwertskala, die Anzahl der Noppenreihen am Einstellring, ob „Berg und Tal“ oder glatte Ausführung, die Anzahl und Anordnung der Linsen, die verwendeten Materialien, das Gewicht, die Maße, der Produktionsort und nicht zuletzt die Seriennummer helfen beim Bestimmen der jeweiligen Version und man kann das Angebot besser einordnen.
*warum das 50mm Objektiv zum Standart Objektiv wurde, ist hier amüsant beschrieben
**Drittanbieter sind unabhängige Produzenten, im Gegensatz zum vom Erstanbieter beauftragten Zweianbieter. Weißte Bescheid.
Die Lichtstärke ist ein wichtiges Kriterium. Jede Blendenstufe treibt den Preis unverhältnismäßig nach oben und zwar um fast das Doppelte.
Einige Modelle sind mythisch verklärt, die Preise auch. Bei Begriffen wie „Bokehmonster“, „Lichtriese“ und „der Kenner weiß Bescheid“ sollte man das Angebot noch mal genau prüfen.
– Wo kaufen? Ich habe alle meine Objektive über Kleinanzeigen oder über Angebote in Foren und Gruppen gekauft.
Weil der Gegenstand so speziell ist und oft Liebhaber am Start sind, wird man selten gefoppt, what you read/see is what you get.
Den Großteil habe ich mir schicken lassen. Viele Verkäufer haben ein echtes Interesse daran, ihr Lieblinge nur in vertauensvolle Hände zu geben. Wenn die Objektive auf den Bildern gut ausschauen und die Beschreibung umfassend ist, kann man zugreifen.
Auf Flohmärkten (in Berlin) gibt es eine Menge Vergammeltes und Defektes aus Entrümpelungen und wenig Intaktes, zu jeweils überhöhten Preisen. Fündig wird man eher bei Objektivkappen oder Zubehör wie Stativen, Streulichtblenden, Unmengen an Belichtungsmessern oder Fototaschen. Nichtsdestotrotz, es ist ein großes Vergnügen und … sei vorbereitet.*
Reingefallen bin ich bis jetzt nur ein Mal, als ich zu Beginn meiner Suche, wieder mit ernster Miene, ein verpilztes Objektiv vor Ort inspizierte, für gut befand und kaufte.
* UPDATE Nov 2021 …und ich war VORBEREITET 😉 An zwei aufeinanderfolgenden Sonntagen habe ich im Vorbeigehen ein „Carl Zeiss Ultron 1.8/50mm“ sowie ein „Pentax SMC 1.8/85mm“ + SMC 3.5/24 in allerbestem Zustand in Karbbelkisten gefunden.
Icarex 35 CS von 1969, der Sargnagel der westdeutschen Fotoindustrie. Das Objektiv ist ein Schneider Kreuznach Edixa-Xenar 2.8/50mm, eine unglaublich aufwändige Konstruktion in tollem kitschigen 70er Jahre Design. Der Blendenstift hinten ist ebenfalls so aufwändig konstruiert, dass die Rückholfeder abgesprungen ist. Keine große Sache, wenn man zur Reparatur Nerven aus Stahl mitbringt. Das unruhige Bokeh hilft auch nicht weiter.
Fun fact: Die ersten Bilder von der Erde entstanden mit Schneider-Objektiven, da ab 1962 die Raumfahrtmissionen der NASA mit Modellen dieser Marke bestückt waren. Auch dieses Unternehmen konnte mit der Konkurrenz aus Fernost nicht umgehen und musste Anfang der 80er Konkurs anmelden.
Teil 5 Bokeh
Ein Wort, über das man oft stolpert. „Bokeh“ bedeutet auf japanisch so viel wie verschwommen, unscharf.
Der Begriff beschreibt die Art und Weise, wie das Objektiv den unscharfen Hintergrund auf einem Bild darstellt, man könnte auch sagen interpretiert. Bei einem bestimmten Lichteinfall werden Spiegelbilder heller Motivteile, der Glasoberflächen, der Fassungsränder oder der Eintrittspupille abgebildet, die in Form von Kreisen sichtbar werden. Es handelt sich also um Reflexionen innerhalb des Objektivs. Es wurde versucht diesen „Fehler“ schon bei der Objektivkonstruktion zu vermieden, war aber bei einfachen aufgebauten Modellen und unvergüteten Gläsern nicht immer möglich. Das Original >Trioplan 2.8/100 mm von Meyer Optik Görlitz gilt als das „Bokehmonster“ schlechthin und geht im Moment für das 8 bis 10 fache des vor ein paar Jahren üblichen Preises über den virtuellen Ladentisch. Das Helios ist dagegen vergleichsweise günstig, vermutlich weil es so viele davon gibt und der Boom schon wieder vorüber ist.
Nimmt man für die Aufnahme eine kleine Blende (großer Lichteinfall), wird durch die geringe Tiefenschärfe nur der Vordergrund scharf abgebildet (freigestellt). Das Bokeh soll das Motiv einrahmen und zur Geltung bringen, um eine harmonische Bildwirkung erzielen. Da es jeder anders empfindet, steht der nächste Absatz unter dem Motto: Kann sein, oder auch nicht.
Es gibt ein swirly Bokeh (topp), ein unruhiges Bokeh (geht gar nicht), ein aggressives Bokeh (nope), runde Bubbles (topp), rautenförmige Bubbles (no way) und noch allerhand mehr, was blubbert und verwischelt. Aufbau, Vergütung der Gläser, Form und Anzahl der Blendenlamellen haben Einfluss auf das Bokeh. Viele Blendenlamellen, die man eher bei älteren Modellen findet, erzeugen eine rundere Öffnung der Blende, welche dem Bokeh zu gute kommt. Neuere Modelle haben oft weniger Lamellen, die eine kürzere Verschlusszeit ermöglicht, u.U auf Kosten des Bokehs. Abgerundete Lamellen machen das Bokeh weicher, gerade härter. Es werden sogar Lamellen umgeschliffen, oder die Frontlinse gedreht um die Objektive zu dopen und man kann auch noch darüber streiten, ob die Lamellen silber sein dürfen oder schwarz sein müssen, weil dies Einfluß auf die Reflexionen im Inneren hat, insgesamt #Voodoo.
Ich fürchte allerdings, der eine Verkäufer schreibt vom andern ab. In den Foren raufen sich Veteranen regelmäßig ihre ergrauten Haare, wenn Objektive mit durchwachsener Leistung auf einmal durchstarten.
Das Erzeugen eines perfekten Bokehs ist jedenfalls eine Kunst und alte Gläser besser geeignet als moderne, wobei aktuell Objektive, wieder auf Bokehfähigkeit getrimmte, nachgebaut werden. Das ganze Sujet finde ich so gaga wie faszinierend.
*enge Verwandte des Bokehs heißen „Sonnensterne“. Damit bezeichnet man die Form, die Lichter und Strahlen einer Lichtquelle auf einer Aufnahme haben. Ein ebenfalls heiß diskutiertes Thema.
Fast alles dabei. Bokeh (mit sechseckigen Bubbles), Aquarell, Schärfentiefe …natürlich eine Blume. Es fehlen Sonnensterne.
Minolta MC Rokkor 1.4/58mm von 1969. Bei Blende 1.4 sehr weich, gut geeignet für die reifere Haut, wie jemand schrieb – gerüchteweise das David Hamilton Objektiv.
Kein „Bokehmonster“ aber ein „Lichtriese“ 🙂
Zoom Objektive wie hier das Minolta MD 3.5-4.5/35-105mm & Minolta MD 3.5/35-70mm, egal wie hochwertig, kosten immer weniger als Festbrennweiten. Ok, sie sind größer, schwerer und nicht so Lichtstark. Aber das Preis-Leistungsverhältnis ist extrem gut. Wahrscheinlich nur eine Frage der Zeit, bis der Hype kommt.
ausJENA Pancolar 1.8/50mm, gebaut 1965-70. Dank des Thoriums eine strahlende Erscheinung 🙂
Das einzige Model von dem ich aktuell eine zweite, spätere Variante besitze, weil die Optik so überragend ist. Mit besserer, im Vergleich aber immer noch lausiger Mechanik.
„Same, same, but different“. Oben ein Meyer-Optik-Görlitz Primagon 4.5/35mm, links ein Meyer-Optik-Görlitz Trioplan 2.8/50mm, rechts ein Carl-Zeiss-Jena Tessar 2.8/50mm. Alle aus den 1950ern im Alumantel.
ausJENA Flektogon 2.8/35mm, gebaut zwischen 1961-65, mit dem Fokusring aus Guttapercha.
Hier ein Überblick über den Bildwinkel, den die unterschiedlichen Brennweiten abdecken.
Querschnitt eines Weitwinkelobjektivs, Jos. Schneider Optische Werke GmbH
Carl Zeiss Jena Biotar 2.0/58mm, ein „no brainer“
Raumwunder: SMC Pentax M 2.0/85mm & Minolta Rokkor 2.0/85mm im Größenvergleich
Teil 6 Worauf sollte man achten beim Kauf?
Grundsätzlich
Objektive sind Präzisionswerkzeuge und von vornherein auf Grund der >Serienstreuung nicht alle gleich gut. Ein Sensor reagiert da empfindlicher als ein Film. Man kann Pech haben und an ein Montagsmodell geraten, oder sich um so mehr freuen, wenn man ein besonders Gutes Exemplar erwischt. Immer bedenken sollte man, das ein vermeintlicher Fehler auch Interessantes produzieren kann, diese Chance kann/ sollte man nutzen. Hier ein paar Umstände, mit denen man hin und wieder zu tun hat.
Der Zahn der Zeit
– Gummierungen neigen zum Verfärben, Kleben oder sind durch den Kontakt mit Sonnenmilch gequollen und sitzen nicht mehr stramm. Das beeinträchtigt nicht die Funktion, aber nervt natürlich. Es betrifft eher Modelle ab den 70er Jahren, als man dazu übergeht, Fokus- und Blendenring zu gummieren.
– Fungus = Pilz. Bei Objektiven, die feucht und dunkel gelagert werden (z.B. Keller- oder Dachboden), kann im Inneren ein Pilz wachsen, der die Linsen komplett zuwuchert und das Glas beschädigt. Es handelt sich um keinen speziellen Pilz, sondern um ganz normalen Schimmel. Der Pilz produziert Säure, die das Glas angreift. Je nach Stärke des Befalls ist das Objektiv hinüber. Beim Blick durch die Linsen kann man die Fäden erkennen. Deswegen trocken lagern und Silicagel Säckchen benutzen.
– Schneideritis kommt bei Objektiven der Firma Schneider Kreuznach vor, aber auch Minolta Objektive sind betroffen. Es handelt sich um kleine, weiße, punktförmige Ablagerungen auf den mattierten Innenflächen. Vermutlich ein Fehler beim Beschichten, der erst mit der Zeit sichtbar wird. Problematisch wenn auch die Linse betroffen ist.
– Geruch. Glas und Metall nimmt wenig Geruch auf, Gummi schon eher. Köcher oder Fototaschen die manchmal dabei sind, riechen fast immer modrig, da hilft auch kein Textilerfrischer. Wenn möglich sollte man Angebote aus Nichtraucherhaushalten bevorzugen.
Mechanische Defekte
Die Blendenlamellen sind verölt oder verharzt und müssen gereinigt werden. (Bei einigen älteren Modellen ist ein leichter Ölfilm wiederum normal um die Lamellen gegen Rost zu schützen). Das kann man machen lassen, oder selbst den Schraubenzieher auspacken. Im Netz gibt es Anleitungen, wie man fast jedes alte Objektiv auseinander baut und wieder zusammen – selbstredend ein eigenes Hobby. Ich habe es einmal versucht und das Ergebnis wanderte geradewegs in die Hofmülltonne, weil ich das Mahnmal meines Scheiterns selbst in der Schublade nicht ertrug.
– Der Fokusring bewegt sich schwergängig oder dreht unregelmäßig. Das Schmiermitte im Schneckengang (in dem die Linse zur Scharfstellung vor und zurück fährt) ist mit der Zeit verharzt und das Gewinde müsste gereinigt und neu gefettet werden. Das kann machen lassen, oder s.o.
– Die Linse ist dezentriert. Passiert, wenn das Objektiv mal runtergefallen ist. Deswegen: Abnutzung ist ok, Dellen und Beulen nicht. Man erkennt den Fehler, wenn auf dem Foto die Ecken unterschiedlich scharf sind. Das kann machen lassen, oder s.o.
– Staub, Putzspuren, Kratzer, Nebel auf der Linse. Etwas Staub ist normal, leichte Putzspuren nicht schlimm. Kratzern fallen zwar auf, sind aber nur ärgerlich wenn man sie auf den Aufnahmen sieht, dafür drücken sie den Preis erheblich und man macht u.U. ein Schnäppchen. Nebel ist verdunstetes Schmiermittel und sollte entfernt werden. Das kann machen lassen, oder s.o.
– Verklebung der Linsen hat sich gelöst. Um die optische Leistung zu verbessern, werden Linsen verklebt. Die Klebestelle kann sich mit der Zeit lösen, das erkennt man an schillernden Stellen auf den Linsen. Das kann die Abbildungsleistung beeinträchtigen, muss aber nicht.
– Die Vergütung hat gelitten. Die Vergütung (Coating) sind eine oder mehrer dünne Schichten aus Leichtmetallhalogeniden, die auf die Linsen aufgebracht werden um Reflektionen zu mildern und das Objektiv unempfindlicher gegen Streulicht machen. Durch unsachgemäße Reinigung kann es zu defekten kommen, dies erkennt man an unterschiedlichen Farbnuancen, oder auch matten Stellen auf der Linse. Unschön, aber kein Desaster, da man es auf den Bildern normalerweise nicht sieht.
– Klappern, quietschen und knirschen sollte nichts und die Elemente dürfen kein Spiel haben.
– Beschädigungen der Linse sind oft schwer zu erkennen. Am Besten schaut man mit einer Lupe durch das Objektiv in eine Lichtquelle. Auch durch Anhauchen der Gläser werden Fehler sichtbar. Fehlt bei Schrauben der Lack, sind sie ausgeschlagen oder stehen sie über, wurde das Objektiv wahrscheinlich schon mal unfachmännisch geöffnet.
Konstruktionsbedingte Merkmale
– Man befürchtet, es liegt ein Defekt vor, hat aber in Wahrheit die Konstruktion nicht begriffen. Gerade zur Blendeneinstellung gibt es interessante Konzepte – Vorwahlblende, Springblende. Eine umfassende Recherche hilft gegen Schnappatmung.
– Kein Fehler, aber eine Besonderheit. In den 60er Jahren wurde mit neuen hochbrechenden Glassorten experimentiert. Als eine Komponente wurde schwach radioaktives Thoriumdioxyd verwendet. Diese Gläser waren teuer in der Herstellung und neigten dazu, mit der Zeit zu vergilben, deswegen wurden sie auch nur für kurze Zeit produziert. Ich habe zwei Linsen, bei denen radioaktives Glas verbaut wurde. Die erste Version eines Pancolars 1.8/50mm von Carl Zeiss Jena und ein ebenfalls lichtstarkes Takumar 1.4/50mm. Obwohl die Linsen gelblich verfärbt sind, wirkt es sich kaum auf die Abbildungsleistung aus. UV Strahlung mildert den Gelbstich, man kann die Objektive also einfach in die Sonne legen (nur Modelle aus Glas und Metall, kein Plastik!). Die Strahlung ist laut unterschiedlicher Quellen so gering, dass man die Gläser einatmen müsste, um bei sich damit einen Effekt zu erzielen.
In Westdeutschland war die Produktion übrigens verboten (nicht der Verkauf), allerdings nicht wegen der Strahlung, sondern wegen der umweltschädlichen Herstellung.
– Guttapercha. Der Fokusring meines ausJENA 2.8/35mm Flektogons, besteht aus Guttapercha, dem eingetrockneten Milchsaft von Sapotengewächsen. Es ähnelt Kautschuk, ist aber härter. Wahrscheinlich der einzige Gegenstand aus diesem Material, den ich je in der Hand und „im Zahn“ hatte, denn heute wird es zum Verfüllen der Wurzelkanäle bei Zahnwurzelbehandlungen benutzt.
– Luftblasen in der Linse, besonders bei älteren Zeiss Objektiven, waren bei der Glasherstellung nicht zu vermeiden, sie gelten als Qualitätsmerkmal und haben keine Auswirkung auf die Leistung.
– Weitwinkelproblematik. Bei einigen Weitwinkel-Konstruktionen (>35mm), fallen Lichtstrahlen in einem sehr schrägen Winkel auf den Kamerasensor. Ein Sensor (im Gegensatz zu Film) erkennt diese Lichtimpulse nicht und es kann im Grenzbereich zu unschönen Abbrüchen im Bild führen. Deswegen haben moderne Weitwinkelobjektive hinten größere Öffnungen, damit das Licht möglichst gerade einfallen kann. >Hier die Nerd Variante
– Probleme beim Fokussieren auf unendlich. Wie in Teil 2 beschrieben, kann das Auflagemaß nicht stimmen, dann liegt es am Adapter und nicht am Objektiv.
– Umbauten. Die Linse wurde gedreht, die Lamellen bearbeitet (Bokeh), der Blendenring entklickt, um beim Filmen übergangslos die Blende (Tiefenschärfe) verändern zu können, oder bei Automatik Blenden der Blendenstift dauerhaft auf manuelle Einstellung arretiert. Kann man mögen, oder nicht.
Allgemein
– „mint“ Condition bedeutet, das Objektiv ist im neuwertigen Originalzustand. Wenn die beweglichen Teile allerdings nie benutzt wurden, handelt es sich womöglich um eine eingetrocknete Schönheit.
– Schön ist, wenn bei den Objektiven, die originalen Schutzkappen, die originale Gegenlichtblende, der originale Verpackungskarton und der originale Köcher dabei sind. Das ist so gut wie nie der Fall, wenn doch: Bingo! Eigentlich nur wichtig für Sammler, aber man kann deutlich höhere Preise aufrufen. Besonders ausgeschlafene Anbieter, denen ihr Karma schnuppe ist, bieten die Sachen einzeln zum Verkauf. 15 Euro für den Originalkarton, 30 Euro für die Deckel ect.
Man kann passende Abdeckungen & Co nachkaufen, es ist dann aber eben nicht original und die alten Pentaxdeckel z.B. sind sehr hübsch.
Normalerweise werden die oben genannten Besonderheiten in den Beschreibungen aufgelistet, man weiß also worauf man sich einlässt. Sollte doch mal etwas sein, nicht gleich ausflippen, sondern unter ‚wieder was gelernt‘ abheften.
– Fälschungen werden naturgemäß nicht als solche angeboten 😉.
Ich habe bis dato nur Bilder von Zeiss Nachahmungen als kuriose Randerscheinung gesehen, aber es scheint sie zu geben.
“How people treat you is their karma; how you react is yours.”
Wayne W. Dyer
Das war’s auch schon, gar nicht so schlimm, oder?
Objektivgewordener Muscle-Car: das SMC Pentax-M 2.0/85mm. Eine eher seltene und deswegen gesuchte Brennweite. Wunderbare Linse für Portraits.
Teil 7 Selber reparieren DIY
Wie schon angedeutet, sind chirurgische Eingriffe im Inneren des Objektivs was für Profis. Es braucht Spezialwerkzeug, eine ruhige Hand, man muss Freude am Scheitern haben und gesunde Knie, wenn man stundenlang ein sandkorngroßes Schräubchen auf dem Küchenboden sucht.
Dennoch, ein paar Tipps zum Selbermachen. #Checker
– Backofen-Kur. Man kann Objektive, die nur aus Glas und Metall bestehen, bei Schwergängigkeit etwa 20 min bei 55 Grad in den Backofen legen. Das macht das Schmiermittel unter Umständen wieder geschmeidig. Dann langsam hin und her drehen. Diese Prozedur wird allerdings kontrovers diskutiert und Vorsicht: bei entsprechender Veranlagung droht eine Sehnenscheidenentzündung.
– *Wundermittel Ballistol. Das ungiftige, biologisch abbaubare, für die Armee Anfang des 20. Jahrhunderts entwickelte Waffenöl schützt, säubert, kriecht in Gewinde und macht sie (manchmal) wieder geschmeidig, oder entfernt Schmutz und Sandkörner. Ist den Versuch wert, wenn man das Objektiv nicht aufschrauben möchte. Immer mit einem Wattestäbchen auftragen. Denn sollte zu viel davon durch die Gewinde kriechen und – oh, Schreck – auf die Blendenlamellen kommen, hat man den Salat s.o.
– Adapter modifizieren. Adapter für den alten Universalanschluss M42 haben im Normalfall einen Kragen aus Aluminium hinter dem objektivseitigen Gewinde, der den Stift, mit dem die Blende bei vielen Modellen automatisch geregelt wird, eindrückt und so auf ‚manuell‘ schaltet.
Bei einigen Modellen dreht sich der hintere, bewegliche Teil beim Fokussieren ein Stückchen aus dem Objektiv heraus und stößt an. Dann hilft nur das Wegfeilen des Kragens.
*kann auch zur, Holz- Leder- und Hautpflege benutzt werden – ganz Unerschrockene nutzen es auch zur morgendlichen Ölziehkur, denn es ist auch noch unbedenklich im Sinne des Lebensmittelgesetzes.
Carl Zeiss Ultron 1.8/50mm, Überflieger mit schwierigem Charakter. Was hätte bei dem Talent nur aus ihm werden können.
Teil 8 Wie viele Objektive braucht es?
Theoretisch könnte man 90% der Bilder mit zwei, drei Objektiven machen. Während man bei Modellen aus den verschiedenen Jahrzehnten noch Unterschiede wahrnimmt, gelingt das bei Objektiven aus der gleichen Ära kaum, mir jedenfalls nicht – leider, auch wenn das zu einigen Thesen hier Fragen aufwirft.
Andererseits: Sei vorbereitet …
Die Liaison gerät jedenfalls schnell außer Kontrolle. Die einen verkaufen ständig Stücke, um neuen Platz zu machen, andere versuchen sich auf bestimmte Marken zu konzentrieren oder geben einfach auf und stellen die Wohnung voll.
Die vermutlich größte Gruppe von Liebhabern wurde noch gar nicht vorgestellt und sie passt gut an diese Stelle: die „Vergleichstester“. Sie lassen eine Reihe von Objektiven in einem Test gegeneinander antreten. Das Ganze ist extrem aufwändig, denn es werden mit allen teilnehmenden Linsen, bei jeder Blende und unterschiedlichen Entfernungen Fotos geschossen, verglichen und ausgewertet. Nicht selten betrachtet man 40 Einstellungen der immer gleichen Dachkante. Es geht um Schärfe, Verzeichnung, chromatische Aberration, Flares und vieles mehr. Der Laie sieht eine Dachkante, der Profi eine ganze Welt. #Voodoo
Teil 9 Die Sammlung
Es gibt, wie gesagt, Unmengen an Angeboten und anfangs habe ich gesucht, was interessant, exotisch oder lustig klang. Deswegen das Helios, dann – ebenfalls aus russischer Produktion – das Industar 50-2, 50/3.5, welches nur etwa 1,5 cm tief ist und etwa 3 cm im Durchmesser hat und liebevoll „Schweineschnauze“ genannt wird. Ich habe sogar zwei davon, das letztere hat mit (defekter) Kamera 9 € gekostet. Beides vollwertige Objektive mit Charakter übrigens.
Für eine Sammlung, um in der Community ernst genommen zu werden, braucht man viel Platz. Meine Idee, das Bücherregal durch eine Vitrinenwand für Objektive zu ersetzen, hat sich zu Hause nicht durchgesetzt, somit bleibt mir nur der begrenzte Raum einer Kommode, vielleicht auch ganz gut so.
Die Community ist übrigens hilfsbereit, auskunftsfreudig und schnell beleidigt. Hier ist also Fingerspitzengefühl gefragt.
Im Moment versuche ich die Variante mit den Marken (Konzentration statt Expansion), deswegen jetzt endlich…
Die Büchse der Pandora
...Vorhang auf
1. Minolta (Rokkor)
Der Vorläufer wird 1928 als Nichi-Doku Shashinki Shōten (日独写真機商店, „japanisch-deutsches Kamerageschäft“) gegründet und 1931 in Minolta KG („Mechanismus, Instrumente, Optik und Linsen von Tashima“) umbenannt.
Das Design der Objektive ist angenehm und funktional, die Farbwiedergabe satt und warm. Für mich das Pendant zu einem Ford Capri. Im Gegensatz zum Capri aber technisch ausgereift.
Ansonsten 70er Jahre Nostalgie pur, in einer Reihe mit Brauner Bär, Prilblumen und Kompaktkassetten.
Seltsamerweise nie die erste Wahl für Profis. Kenner verweisen gerne auf das schlechte Marketing. Die Marke ist in Deutschland weit verbreitet, die Auswahl an analogen Modellen riesig. Alle besitzen den SR Anschluss, die Objektive werden aber als MC und MD Varianten angeboten, diese Kürzel bezeichnen aber nur unterschiedliche Funktionsmöglichkeiten, der Adapter passt für alle.
Die MC Varianten sind die Älteren. Der Zusatz „Rokkor“ wurde bis 1980 benutzt. Rokkõ ist der Name des Berges, den man von der ersten Fertigungsstätte in der Nähe von Osaka aus sehen konnte, dem Zeitgeist folgend wurde ein „or“ ans Ende gehängt.
Minolta MC Macro Rokkor 3.5/50mm + Macro Adapter, dank neuer Glassorten und neuer Berechnung eine der besten Linsen überhaupt.
Die Preise sind moderat – von seltenen Liebhaberstücken abgesehen – und alle Linsen sind hervorragend verarbeitet. Made in Japan eben.
Die Zeiss Modelle auf beiden Seiten des eisernen Vorhangs wirken dagegen richtig oll. Modelle ab 1985 mit Autofokus und A Bajonett sind – wie auch bei Pentax – unschöne Plastikdosen.
2006 gibt Minolta (jetzt schon Minolta/ Konica), einer der traditionsreichsten Hersteller, seine Fotosparte an Sony ab, weil mit Druckern mehr zu verdienen ist. Die Belegschaft erfährt davon aus der Zeitung.
Minolta MD Zoom Rokkor 4.0/ 24-50mm, gebaut etwa 1978. Im Inneren werkeln 13 Linsen. Das Zoom ist auf Festbrennweitenniveau und ein echter Brocken. Seinerzeit aufgrund der komplexen Bauweise eines der teuersten Modelle.
Werbung für eine Minolta Kamera ca. 1935. Vor der Entwicklung von Wechselobjektiven waren die Linsen fest verbaut. Deswegen heißt eine Festbrennweite im englischen auch „Prime Lense“. Wollte man die Brennweite ändern, wurde eine Vorsatzlinse angebracht.
2. Ashai Pentax Takumar und Pentax SMC-M
Der Name Ashai „aufgehende Sonne“ taucht zum ersten Mal 1919 auf, ab 1933 werden Linsen und Kameras hergestellt, ab 1938 lautet der Name Asahi Kōgaku Kōgyō Kabushiki-gaisha (旭光学工業株式会社, „Asahi Optical Co“.
Der Name Pentax setzt sich zusammen aus den Bezeichnungen „Pentaprisma“ und „Contax“ und wird 1957 vom VEB Zeiss IKON, (das nächste Zeiss Unternehmen, 1964 aufgegangen in Pentacon), an Asahi Optical verkauft.
Takumar
Bezieht sich auf den Namen Takuma Kajiwara, den Bruder des Firmengründers. Die Objektive sind noch eine Tick besser verarbeitet als die Minolta Objektive und tak-scharf (stehender Begriff). Es gibt sie in Auto, Super und Super Multi Coated Versionen. Die Kombination von verschiedenen Metallen bei den beweglichen Teilen macht sie zu einem Handschmeichler erster Güte. 1957 wird der M42 Anschluss eingeführt. Für einige Modelle muss der Adapter angepasst werden (s.o.) und Takumare sind etwas teurer als der Durchschnitt.
Pentax SMC-M
Eingeführt 1976 für die neuen kompakten Pentax M Kameras mit K (PK) Anschluss. Klein, aber massiv und ebenfalls eine Wonne zum in der Hand halten. SMC steht für Super Multi Coated und bezieht sich auf die Vergütung der Linsen.
Im Vergleich zu Minolta sind sie in Europa nicht so verbreitet, eher in den USA. Auch der Look ist irgendwie amerikanisch. Awesome, wenn nicht sogar outstanding.
Vom Design gefallen mir allerdings die Minolta und alten Takumare besser. Die Abbildungen wirken etwas kühler als bei Minolta. Die Preise sind einen Tak 😉 günstiger. Diese Modelle haben einen PK Anschluss. Pentax gehört heute zu Ricoh.
Carl-Zeiss-Jena Biotar 2.0/58mm & Sonnar 4.0/135mm, gerettet aus der Mülltonne. Leihgaben von Sara
Carl-Zeiss-Jena 4.0/135mm, an der Sony A2. Das Objektiv ist etwa 60 Jahre alt und lässt immer noch nichts anbrennen.
Carl-Zeiss-Jena Tessar 2.8/50mm, das „Adlerauge“
Carl-Zeiss-Jena Sonnar 3.5/135 mm Tele Objektiv. Auch diese Brennweiten sind vergleichsweise günstig. Dieses Modell wirkt geradezu mittelalterlich. Ein Ritter der traurigen Gestalt in klappernder Rüstung. Schade, denn die Optik ist noch gut in Schuss. Hier kann man nochmal einen Blick auf den M42 Anschluss und den Blendenstößel werfen.
3. Carl Zeiss Jena bzw. ausJENA
Der Ursprung des Unternehmens reicht bis 1846 zurück, als Carl Zeiss eine feinmechanisch-optische Werkstatt in Jena eröffnet. Nach dem zweiten Weltkrieg folgt die Aufspaltung.
Die Zeiss Unternehmen in Jena und – neu angesiedelt – in Oberkochen arbeiten bis 1953 eng zusammen, dann trennen sich auf Verlangen der Politik die Wege. Der folgende 18 Jahre dauernde Namensstreit füht dazu, dass ab 1971 die westdeutschen Zeiss Produkte im Ostblock unter „Opton“ fimierten, die des VEB Carl Zeiss aus Jena im Westen unter der Marke „ausJENA“.
Die Geschichte des ostdeutschen Vorzeigebetriebs ist – meist von Privatpersonen – akribisch dokumentiert, oft mit starkem DDR Bezug und leichter Wehmut.
Eine Reihe grundlegender Konstruktionen wurden hier entwickelt und mit wohlklingenden Namen versehen >Biotar, >Planar, >Tessar, >Flektogon oder >Sonnar. Viele Objektive anderer Hersteller sind Kopien dieser Vorbilder, da die Patente als Folge des zweiten Weltkrieg verfielen. Das Tessar trägt unter Sammlern den Spitznamen „Adlerauge“, das Flektogon „Ein Mann Armee“. #gutzuwissen
Ein optisch auffälliges Merkmal der 60er Jahre Modelle ist das sogenannte Zebra Design, eine Anspielung darauf, dass Blenden und Fokusring farblich zwischen schwarz lackiert und silber metallisch wechseln. Älteren Modelle aus den 50ern sind ganz aus Aluminium. Die Objektive sind robust, burschikos und antiquiert im Design. Die Abbildungsleistung ist superb, das Handling bei meinen Exemplaren wechselt allerdings zwischen schwergängig und klapperig. Das Schmiermittel war bekanntermaßen nicht das beste und ist mit der Zeit eingetrocknet. Ältere Modelle (s.o.) sind interessanterweise geschmeidiger geblieben, schade um den Rückschritt.
Je nun, mit etwas Fingerspitzengefühl und wenn man keine Action Fotos macht, kommt man gut zurecht. Ich stelle mir vor, es handele sich um alte Damen, die, wenn man ihnen ein wenig Aufmerksamkeit und Geduld entgegenbringt, es einem um so mehr im Ergebnis danken.
Bestimmte Modelle sind (Bokeh mal wieder) übertrieben teuer, andere sehr günstig und die mechanische Qualität schwankt wie gesagt erheblich. Modelle mit M42 Anschluss sind weit verbreitet.
4. Carl Zeiss
Schon wieder Zeiss. Langsam wird’s unübersichtlich. Zeiss Icon wird 1926 in Dresden gegründet, Hauptaktionär Carl Zeiss aus Jena. Sowohl die Objektive als auch die Icarex Kamera werden Ende der 60er Jahre bei der Zeiss Icon Tochter Voigtländer in Braunschweig gefertigt, aber mit Carl Zeiss gelabelt.
Über den hier verlinkten Artikel bin ich auf das sagenumwobene Ultron 1.8/50mm gestoßen und konnte kurz darauf eins erjagen 😉 www.marc-heckert.de/der-ikarus-zeiss-ultron-1-8-50/
Wie im Text beschrieben, ist das Objektiv nicht kompatibel mit gängigem Zubehör. Der Versuch, eine Streulichtblende oder einen Filter zu finden (überhaupt herauszukriegen, welcher passt) führte mich im Netz zu einer freundlichen Seele, der ich aus Dankbarkeit gleich auch noch ein Objektiv aus der gleichen Reihe abkaufte. Ein Drittes versteckte sich in einem Konvolut und sehr viel mehr gibt es nicht. Die Bildleistung des Ultrons ist gigantisch, die Aufnahmen der gesamten Objektiv Serie wirken zudem außergewöhnlich plastisch.
Bis auf das Ultron ist der Rest günstig zu kriegen, leider haben die meisten Objektive einen Icarex Anschluss (eigener Anschluss nur für diese Kamera, was hat man sich dabei nur gedacht?!) und den Adapter muss man in China bestellen, was etwa 4 Wochen dauert. Spätere Exemplare haben wieder einen M42 Anschluss. Das Design ist elegant, aber altbacken. Mechanisch liegen die Objektive auf höchstem Niveau.
ausJENA Flektogon 4.0/25mm, gebaut zwischen 1960-67 im „Zebra“ Design. „Bigger is better“, mit einem Durchmesser von 77 mm eindeutig der Gewinner. Der Fokusring läuft ein wenig unrund, das liegt am minderwertigen Schmiermittel, welches in dieser Zeit benutzt wurde. Man kann auch erkennen, dass die Blendenlamellen silber und nicht schwarz sind. Bei einem Weitwinkel wie diesem, fällt ein Teil der Lichtstrahlen extrem schräg ein. Ein Sensor (im Gegensatz zum Film) kann aber Licht nur bis zu einem bestimmten Winkel erfassen, dies kann zu einem Qualitätsverlust führen, obwohl das Objektiv in Ordnung ist.
Wer sich ein wenig angesprochen fühlt, ...
… dem kann ich versprechen, dass sich eine neue Welt auftut. Das Ganze ist so simpel wie komplex, die Befriedigung, wieder etwas gefunden, gelernt oder verstanden zu haben, enorm.
Wer Fragen hat, fachsimpeln möchte oder womöglich noch eine alte Fotoausrüstung hat, die er/sie los werden mag, kann sich gerne melden.
Sei vorbereitet...
Mein erstes ‚Fotoshooting‘ in Rom. Eigentlich sollte ich nur ein flottes Handyfoto machen, dann packte mich der Ehrgeiz und ich ließ die Damen in 7 verschiedenen Posen auftreten, ergab min. 30 Aufnahmen – sie waren hochzufrieden.
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Tiefe Einblicke in das Thema Objektive generell, aber auch zu manuellen Linsen, mit Anders Uschold und Martin Krolop. Nehmt euch viel Zeit, nerdig bis zum Anschlag und unbedingt empfehlenswert:
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